Endlich, wir sind angekommen in St. Petersburg! Der Weg war doch recht beschwerlich. Von Tallinn aus machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Von Helsinki aus wollte sich auch nicht so recht ein geeignetes Wetterfenster auf tun. Kann es denn nicht mal eine zwei bis dreitägige Westwind-Periode geben? Irgendwann sahen wir dann ein, dass es keinen Sinn macht, auf das Wetter zu warten. So lange kein Sturm angesagt ist, wollten wir aufbrechen. Egal ob Schwachwind oder Wind von vorne angesagt war.
Der Sonntag überraschte uns dann mit Regen und noch recht kräftigem Wind aus Süd. Da wir uns beide noch nicht so richtig fit und ausgeschlafen fühlten und zudem Frank und Doro am Sonntag Abend in Helsinki eintreffen wollten, entschlossen wir uns, den Sonntag noch in Helsinki zu verbringen um dann am Montag Richtung St. Petersburg aufzubrechen. Der Sonntag diente zunächst dazu unsere Vorräte an Nahrungsmitteln, Wasser und Benzin aufzustocken. Den Rest des Tages verbrachten wir in der Stadt. Wir genossen die tolle Atmosphäre der Stadt, die Schären, die mittlerweile wieder zum Vorschein gekommene Sonne und ein leckeres Abendessen beim Thailänder. Abends gab es dann ein schönes Wiedersehen mit Frank und Doro.

Montag ging es dann nach einem gemütlichen Frühstück zunächst zur Passkontrolle auf die Festungsinsel Suomenlinna. Dort "entließen" uns zwei nette finnische Grenzbeamten Richtung Russland. Es waren für die nächsten zwei Tage nur leichte Winde vorhergesagt, so dass wir uns auf einen 40 Stunden-Törn nach St. Petersburg eingestellt hatten. Kaum verlassen wir den Schärengürtel um Helsinki überrascht uns ein schöner Wind mit 8 bis 10 Knoten und wir rauschen mit guten 6 Knoten Richtung Osten. Das macht Spaß! Wenn das so weitergehen könnte! Denn wir hatten ausgerechnet, dass wir unmöglich die gesamte Strecke von 170 sm Motoren könnten. Wir haben ja nur 50 Liter Benzin dabei. Und natürlich wollten wir das auch gar nicht. Wir freuen uns über den Wind, der uns bei einer tollen Abendstimmung bis nach Gogland bringt.

Der Weg nach Russland ist auch für Freizeitboote vorgeschrieben und so werden wir angehalten, das Hauptfahrwasser zu nutzen. Ab Gogland hat man dann auch keine Möglichkeit mehr einen Hafen auf russischer Seite anzulaufen, ab dort geht es weiter bis nach St. Petersburg. Vor Gogland wechseln wir mit unserem UKW Funkgerät auf Dualwatch und hören so die Kanäle 16 und 74 (Petersburg Traffic) ab. Auf Kanal 74 hören wir ein Gespräch, bei dem St. Petersburg Traffic den Tanker hinter uns anfunkt und ihn fragt, ob er das kleine Segelschiff auf Steuerbord sieht. Gemeint waren wir. Wir funken kurz zu St. Petersburg Traffic und geben unsere Daten durch - sehr nettes Willkommensgespräch in Russland. Als wir Gogland quer ab haben, rufen wir, wie es in den Unterlagen der Kreuzer Abteilung steht, "Velboot", die russische Coastguard. Wir versuchen mehrfach sie zu erreichen, aber keiner meldet sich. Also setzen wir unsere Reise fort. Der Wind ist leider etwas runtergegangen und wir kommen nur noch im Schneckentempo voran. Auch ist die Nacht verdammt kalt, so dass wir wieder unzählige Kleidungsstücke übereinander anziehen müssen. Da das Fahrwasser einen kleinen Knick macht, wollen wir den Weg ein wenig verkürzen und diesen Knick aussparen. Doch Silja sieht irgendwann ein Schiff, das eher nach russischer Coastguard aussieht. Ok, wir gehen zurück auf den dicht am Fahrwasser entlang laufenden Kurs. Jan steuert, Silja gönnt sich unter Deck eine Stunde Schlaf. Als sie wieder aufwacht, will sie noch kurz ihre Blase entleeren, um dann Jan abzulösen. Dieser sagt jedoch, dass der Toilettengang jetzt etwas unpassend wäre, denn es käme Besuch. Besuch? Wer um aller Welt will um 5 Uhr morgens mitten auf dem Wasser zu uns. Silja kommt ins Cockpit und schon düsen sechs russische Grenzbeamte in einem Dingi um Fritsjen herum. Ehe wir uns versehen, kommen sie direkt an Fritsjen und es springen drei von ihnen an Bord. Guten Morgen! Wir sind wach! Das Cockpit ist mit fünf Leuten mehr als voll und an steuern ist nicht mehr zu denken, man kann die Pinne einfach nicht mehr bewegen. Sie sehen dann ein, dass das Boot voll ist und die vierte Person bleibt dann netterweise im Dingi. Silja verschwindet mit zweien unter Deck, Jan steuert und wird von dem dritten bewacht. Wir sollen wieder zurück segeln, was Jan aber geschickt umgeht in dem er einfach beiliegt. Silja muss währenddessen unter Deck unzählige Fragen beantworten. Uns wird vorgeworfen, dass wir nicht Kanal 16 abgehört haben. Silja versucht ihnen klarzumachen, dass wir Kanal 74 und 16 abgehört haben. Nur steht auf dem Funkgerät 74 und was Dual Watch ist, ist den Russen nur schwer klar zu machen. Der ältere der beiden hält Silja mehrfach ein russisches Buch unter die Nase und zeigt drauf. Mmmmh, was will er uns sagen? Er kontrolliert die Pässen, den Bootsschein und unsere Crewliste. Er will wissen für wie viel Tage wir etwas zu essen dabei haben, wie viel Diesel dabei ist. Als wir ihnen klar machen, dass wir einen Benziner haben und nur 50 Liter an Bord sind, ernten wir Gelächter. Na toll! Dann werden wir gefragt, wann wir im Heimathafen losgefahren sind. Wahrheitsgemäß antwortet Silja m 1.4. Der Grenzbeamte schüttelt den Kopf - das kann nicht sein. Nach gefühlten zehn Minuten wissen wir, was er wissen wollte. Wann wir wo nach St. Petersurg aufgebrochen sind. Ach so. Die Verständigung ist sehr holprig, aber immerhin spricht der junge Grenzbeamte ein wenig Englisch. Auch ist er sehr offen und glaubt uns, dass wir versucht haben uns per Funk anzumelden. Scheinbar hat die russische Coastguard versucht uns über Funk zu rufen, wir haben es aber nicht gehört bzw. verstanden. Irgendwann ist der Spuck vorüber und die drei rauschen wieder davon. Puuuhhh. Das war ein Schock. Wir sind erst einmal wach. Gut, dass wir vorher in Kaliningrad waren und dass uns Thoralf Plath zwei wichtige Tipps mit auf den Weg gegeben hat: 1. Die Russen gucken nur grimmig, weil es zu ihrem Job gehört. Im Kern sind sie meist nicht grimmig, sondern sehr freundliche Menschen. 2. Die Bürokratie in Russland ist manchmal nervig und man darf die Sinnhaftigkeit nicht immer hinterfragen, aber sie gehört dazu und keiner kommt darum herum - auch die Russen nicht. Also, einfach alles über sich ergehen lassen und dann ist irgendwann alles überstanden.

Wir segeln nach diesem kleinen Zwischenfall weiter, zwischendurch wird auch mal der Motor zu Hilfe genommen und gegen Mitternacht sind wir kurz vor Kronstadt! Juhu, St. Petersburg wir kommen. In Kronstadt melden wir uns wieder über Funk. Dieses Mal antwortet man uns und will gar nicht die sonst üblichen Informationen wissen. Wir motoren von Kronstadt durch das Fahrwasser zum Einklarierungskai. Irgendwie hatten wir die von Kronstadt noch ausstehenden 15 sm unterschätzt. In der Nacht mit der entsprechenden Müdigkeit fällt uns das navigieren deutlich schwerer. Wir kommen ausgerechnet zu dem Zeitpunkt in Kronstadt an, als es dunkel wird. In der letzten Nacht war es fast nicht dunkel geworden. Aber nun, mit Wolken am Himmel, wird es für zwei Stunden dunkel. Genau in diesem zwei Stunden motoren wir an Kronstadt vorbei, die Fahrwasser entlang, und natürlich kommt uns an der engen Ausfahrt auch noch die "Vision of the Sea" entgegen - nur ein paar Meter neben dem schwimmenden Palast schaukeln wir die Bugwelle aus… Wir wechseln uns alle 30 Minuten ab und irgendwann gegen 5 Uhr haben wir es geschafft. Nach genau 40 Stunden und 173 Seemeilen legen wir an. Wir liegen am Einklarierungskai! Kurz nach dem Anlegen kommt ein Beamter, nimmt Pässe und Crewliste entgegen und macht uns deutlich, dass erst ab 8 Uhr das weitere Prozedere stattfinden wird. Das war uns klar und wir freuten uns einfach nur auf drei Stunden Schlaf. Kurz vor 8 Uhr standen wir auf, wollten wir doch von den Beamten nicht direkt im Schlaf überfallen werden. Doch es kam niemand, auch um 9 Uhr nicht, um 10 Uhr nicht. Es legte nämlich um 9 Uhr eine Fähre aus Helsinki an und die musste erst abgefertigt werden. Gegen 11 Uhr kam dann ein Grenzbeamter und der Spaß konnte beginnen. Nach 1,5h war Silja wieder zurück am Schiff. In dieser Zeit ging es zunächst zum Grenzbeamten, bei dem nur drei Formulare auszufüllen waren. Das ging relativ schnell und dauerte nur 15 Minuten. Länger dauerte es beim Zoll. Hier umgarnten gleich fünf Zöllner Silja und diskutierten ewig über die Formulare und Einträge. Aber alle waren sehr freundlich. Mit Geduld kommt man durchaus weiter und richtige Probleme gab es nicht. Gegen Mittag konnten wir dann endlich zur Marina aufbrechen. Zur einzigen Marina, die man als Tourist anlaufen darf…
In der Marina treffen wir Uwe und Conny wieder und erfahren bei einem gemeinsamen Glas Sekt auf die Ankunft, das es ihnen ähnlich ergangen ist. Sie haben auch versucht, sich über Funk anzumelden, ohne Reaktion. Allerdings war die Coastguard bei ihnen wohl "geduldiger" und hat sie länger versucht, anzufunken, so dass sie irgendwann reagiert haben - auch sie haben sich nicht angesprochen gefühlt, die Ansprache war sehr unklar. Abenteuer Russland!

Jetzt geht es erst mal in die Stadt, die erste Erkundung steht an.